Die Welt dreht sich – so scheint es – immer schneller: Was heute hip ist, ist morgen normal. Politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Verschiebungen sind global wie lokal spürbar. Immer smartere Tools, neuartige Services und Produktkreationen prägen die Arbeitswelt und das Konsumverhalten. Und mittendrin lenken KMU-Chefs und Gastrounternehmerinnen ihre Organisationen bestmöglich durch die unruhigen Zeiten.

Inspiration, Innovation und Marktrelevanz
Ununterbrochen werden uns Neuheiten aus jeder Ecke der Welt durch unsere Bildschirmtools ins Bewusstsein gerückt: Sei es das nachhaltige Gastrofarming-Konzept auf der peruanischen Hochebene, das gefeierte minimalistische Matcha-Lab in Tokio oder die voll digitalisierte Gourmetkantine in der Londoner City. Solche Inspirationen multiplizieren sich mit persönlichen Reiseerinnerungen, Szenen aus Foodscouting-Dokus oder den jüngsten Prognosen einer Zukunftsforscherin. Doch was tun mit all den Inputs? Es wäre wohl genauso verfehlt, jede Idee sofort im eigenen Betrieb realisieren zu wollen, wie der kategorische Verzicht auf jegliche Neuerung.

Rafael Saupe, Partner bei der strategischen Beratung Desillusion & Co., ist im Rahmen von Projektbegleitungen und auf Scouting-Trips immer wieder mit der Herausforderung konfrontiert, neuartige Konzepte, Angebote oder Prozesse, Marketingstrategien, Designwelten und weitere konzeptionelle, organisatorische oder ökologische Entwicklungen zu erfassen und einzuordnen. Er stellt klar: «Eine echte Innovation ist weit mehr als eine spontane kreative Schöpfung. Es ist eine im konkreten Markt wirtschaftlich funktionierende und qualitativen Mehrwert liefernde Antwort auf ein Bedürfnis – eine echte Lösung.»

Nicht jede Innovation ist daher für jeden Markt gleichermassen geeignet: Die in Bangkok gefeierten Umami Ice Creams mit intensivsten Geschmacksprofilen funktionieren nicht zwingend in Balsthal oder Bäriswil. Dasselbe gilt wohl auch für Cashless, Chlorella und Spirulina. Was in urbanen Schmelztiegeln gedeiht, ist oft (noch) nicht die Lösung für traditionell geprägte rurale Märkte. Doch nicht jeder städtische Gastrobetrieb liegt zwingend in einem progressiven Mikromarkt. In manchen Altstadtgassen oder Villenvierteln herrscht ein streng bewahrender Geist.

Andererseits sind in ländlichen Regionalzentren oder Tourismusorten durchaus auch Marktlagen mit urbanem Charakter und fortschrittlichem Mindset zu finden. Und gerade in der Agglomeration grenzen biedere Wohnkomplexe an lebendige, multikulturell geprägte Siedlungen.

Urban oder rural, progressivoder konservativ?
Fundiertes Wissen über die Menschen, deren Mindset, Werte und Verhalten ist daher essenziell für ein vertieftes Verständnis davon, wie ein Mikromarkt tickt. Bietet er Nutzungsvielfalt, Begegnung und Austausch oder eher Ruhe, Diskretion und Tradition? Welche Qualitäten prägen den Ort? Ist er Destination oder doch nur Transitzone? Und wie entwickelt er sich langfristig? Nur wer den spezifischen Charakter eines Standorts ganzheitlich erfasst, kann einordnen, welche Ideen und Konzepte aus anderen, meist ähnlich gelagerten Markträumen hier funktionieren können. Dazu sind Begehungen, Beobachtungen und Befragungen vor Ort genauso relevant wie die Recherche am Bildschirm.

Zur modellhaften Einordnung verschiedener Markttypen nutzt Rafael Saupe eine einfache Kreuzstruktur mit den vertikalen Polen urban/rural und den horizontalen Polen progressiv/konservativ. Zwischen diesen Dimensionen spannen sich vier atmosphärisch unterschiedliche Felder auf, in denen einerseits das konkrete Marktumfeld des eigenen Betriebs oder eines Projekts verortet werden kann. Andererseits lassen sich konzeptionelle, kulinarische oder organisatorische Ideen auf dieser Karte positionieren. Solche Verortungen sind immer subjektiv geprägt, regen aber gerade dadurch spannende Diskussionen über Märkte und Mindsets in Projekt- oder Führungsteams an.

Neugier kultivieren, Muster erkennen, Kompass schärfen
Zusammenfassend gilt für Rafael Saupe: Wer sich für die Zukunft von Gastronomie und Gesellschaft interessiert, kann diese Neugier durch präzises Beobachten und bewusstes Einordnen so kultivieren, dass sich unterschiedliche Marktmuster zunehmend klarer erfassen und einordnen lassen. Und relevante oder nur vermeintlich gute Ideen für das eigene Umfeld besser evaluiert werden können. Ein geschärfter Marktkompass kann zu mehr Klarheit im Umgang mit den Veränderungen in einer komplexen Welt führen und fundiertere Entscheidungen ermöglichen.

Dieser Fachartikel ist in Zusammenarbeit mit Desillusion & Co. entstanden.

Rafael Saupe, strategischer Berater und Partner Desillusion & Co.