Nach einem inspirierenden Bildungsanlass ergab sich ein spannendes Gespräch mit einem deutschen Bildungsunternehmer. Er kannte das Schweizer Bildungssystem bestens. Obwohl er die Vorteile unseres dualen Bildungssystems verstand, fehlte ihm der emotionale Zugang – ein Dilemma, das sich vielerorts beobachten lässt. 

Warum unterscheiden wir zwischen Tertiär A und Tertiär B? Weshalb sind die Bedingungen so ungleich? Studierende an Hochschulen (Tertiär A) zahlen moderate Studiengebühren, während die Subventionen für Studierende in der Höheren Berufsbildung (Tertiär B) oft nicht einmal die Hälfte der gesamten Lehrgangskosten decken und die Höhe je nach Lehrgangstyp alle zwei Jahre überprüft und angepasst wird. [RELATED]

Die Einordnung in Tertiär A und B ist strukturell nachvollziehbar, doch die Ungleichbehandlung bleibt fragwürdig. Gemäss einer im Jahr 2016 vom Institut für Wirtschaftspädagogik St. Gallen publizierten Studie sind die Studiengänge der Höheren Fachschulen von ihrem Niveau her mit den Bildungsangeboten an Fachhochschulen vergleichbar. Auch im internationalen Vergleich sind sie konkurrenzfähig. Neben den finanziellen Hürden fehlt jedoch die einheitliche Vergleichbarkeit. Der Höheren Berufsbildung steht kein ECTS-Punktesystem zur Verfügung, das die erbrachten Leistungen vergleichbar und für den Tertiär-A-Bereich anrechenbar macht. Stattdessen steht sie in einem Wirrwarr von eidgenössischen Fachausweisen, Diplomen und zahllosen Branchenzertifikaten. Das Anrechnen von Vorleistungen ist eine Sisyphusarbeit und führt dazu, dass erlernte Kompetenzen nicht anerkannt werden. Das hat für die Studierenden den Nachteil, fürs Gleiche noch einmal Zeit und Geld investieren zu müssen. Parallel überschwemmen die Hochschulen den Markt mit – auf das Bologna-System abgestimmten – CAS, DAS, MAS, MBA, EMBA usw. Ein Überblick? Fast so komplex wie eine Dissertation.

Eidgenössische Titel verschwinden im Zertifikatsdschungel.

In einer globalisierten Bildungswelt ist es ohne Weiteres möglich, bequem von zu Hause aus einen Bachelor oder Master einer ausländischen Universität zu erwerben und damit auf Bewerbungstour zu gehen. Unsere hoch spezialisierten Fachkräfte mit dem Abschluss einer Höheren Berufsbildung bleiben dabei aussen vor. Ihre eidgenössischen Abschlüsse werden international kaum verstanden. Ein Schweizerkreuz auf dem Diplom ersetzt nicht die Vergleichbarkeit mit einem global bekannten Bachelor- oder Master-Titel.

Internationale Firmen in der Schweiz und multikulturelle KMU-Teams setzen auf ihnen bekannte Abschlüsse. Auch wenn sie das duale Bildungssystem kognitiv erfassen – emotional bleibt es ihnen fremd, wenn es nicht bereits beim Filtern der Dossiers mithilfe künstlicher Intelligenz aussortiert wird. Die Folge: Eidgenössische Titel verschwinden im Zertifikatsdschungel.

Wir brauchen den Professional Bachelor nicht für uns und um unser Bildungssystem zu verbessern. Wir brauchen ihn, um der Welt zu zeigen, wie exzellent es ist. Er hilft uns, unsere Fachkräfte auf Augenhöhe mit internationalen Abschlüssen zu präsentieren.

Lasst uns diesen Titel nicht aus Prestigegründen einführen, sondern um unseren Fachspezialistinnen und -spezialisten den verdienten Platz einzuräumen. Sie leisten Hervorragendes – es ist Zeit, dass dies auch global anerkannt wird.

Hans-Peter Brändle ist Leiter Politik, Recht und Bildung bei HotellerieSuisse und Mitglied der Geschäftsleitung.